Die Verteilungskämpfe zwischen Amerikas Tech-Konzernen spitzen sich zu und werden immer stärker öffentlich ausgetragen. Zum Streit um Apples Anteil an den App-Store-Einnahmen, in dem sich Microsoft und Facebook hinter den Spiele-Entwickler Epic Games stellten, kommen nun immer lautere Warnungen vor einem geplanten iPhone-Update, das die Geschäfte mit App-Werbung stark verändern und Apple einen entscheidenden Vorteil verschaffen könnte.
Das neue Betriebssystem iOS 14 soll laut Apple im Herbst dieses Jahres ausgerollt werden. In der neuen Version wird Apple von den App-Betreibern verlangen, von den Nutzern in Zukunft eine Zustimmung einzuholen, dass sie mithilfe eines Werbe-Trackers namens IDFA nachverfolgt werden. Der „Identifier for Advertisers“ wird jedem Gerät zufällig zugewiesen und sammelt Daten über Interessen und das Verhalten des Nutzers, nicht aber persönliche Informationen. Diese Daten nutzt die Online-Werbebranche, um zielgenau solche Werbung auszuspielen, die den Nutzer besonders interessiert. Bisher hätten Nutzer dieses Tracking aktiv abschalten müssen, jetzt müssen sie zustimmen. Wenn Nutzer eine App neu öffnen, wird ein Fenster angezeigt, in dem sie der Nachverfolgung per IDFA zustimmen müssen. Apple plant dabei offenbar sogar, den Text für diese Fenster vorzugeben. Üblicherweise willigt nur ein kleiner Teil der Nutzer in die Nachverfolgung ein.
Die Hälfte der Werbeeinnahmen in Gefahr
Um wie viel Geld es in dem Streit insgesamt geht, ist schwer einzuschätzen: Analysen gehen von etwa 80 Milliarden Dollar aus, die allein dieses Jahr in Kampagnen gesteckt würden, die Nutzer dazu bringen sollen, Apps zu installieren. Die Werbung auf mobilen Geräten macht dem Branchenverband IAB zufolge 70 Prozent des Umsatzes der Onlinewerbung aus, Desktop-Werbung kommt nur noch auf 30 Prozent.
Facebook hat nun in einem Blog-Beitrag vor den Folgen der neuen Zustimmungspflicht gewarnt. Denn diese dürfte einen Geschäftsbereich des Social-Media-Konzerns namens Audience Network empfindlich treffen – und Tausende App-Anbieter gleich mit. Mit dem Dienst können Werbekampagnen, die auf Facebook oder Instagram geschaltet werden, auf andere Apps ausgeweitet werden.
Nach Darstellung von Facebook sehen mehr als 1 Milliarde Menschen einmal im Monat eine solche Werbeanzeige, jede dritte der 500 beliebtesten Apps im Google Play Store in Amerika nutze diesen Dienst. Wie viel Geld das Unternehmen damit macht, ist nicht bekannt – es dürfte aber bald deutlich weniger werden. Facebook geht davon aus, dass die Werbeeinnahmen der App-Betreiber um mindestens 50 Prozent sinken werden. Doch Facebook geht noch weiter: „Apples Updates können das Audience Network auf iOS 14 so ineffektiv machen, dass es möglicherweise keinen Sinn mehr ergibt, das auf iOS 14 anzubieten.“
„Apples Initiative wirft Wettbewerbsfragen auf“
Für Sprengstoff sorgt dabei, dass Apple sein eigenes Werbenetzwerk von diesen neuen Anforderungen ausnimmt. Demnach ist die Zustimmung zu Apples Werbenetzwerk voreingestellt. Die Argumentation des Unternehmens: Andere teilten die Daten mit Dritten, Apple selbst nutze diese jedoch nur selbst. Das könnten andere Anbieter genauso handhaben. Auf die Kritik durch Facebook will Apple auf Anfrage der F.A.Z. nicht eingehen. Stattdessen verweist ein Sprecher auf „weiterentwickelte Datenschutzfunktionen“, ein Argument, mit dem sich der Konzern schon lange von der Konkurrenz abheben will, der viele allzu leichtfertigen Umgang mit Nutzerdaten vorwerfen.
Apple könnte sich mit dem Schritt einen deutlichen Vorteil verschaffen: Durch die zusätzlichen Informationen, die das Apple-Netzwerk dem Bericht zufolge sammeln darf, werden die einzelnen Werbeplätze wertvoller. Für App-Betreiber würde das Apple-Netzwerk attraktiver werden.
„Apples Initiative wirft Wettbewerbsfragen auf“, kritisierten denn auch Branchenverbände aus dem In- und Ausland in einem Brandbrief an den Apple-Chef Tim Cook Anfang Juli. „Apples Werbedienste wie Apple Search Ads im App Store werden ihren Wettbewerbsvorteil ausbauen.“ In der EU würden viele Apps aufgrund der Datenschutzgrundverordnung schon Programme einsetzen, um die Einwilligungen einzuholen. Ihre Sorge: Die Apps könnten die gleiche Einwilligung bald mehrmals erfragen. Sie fordern in dem Brief deshalb von Apple, enger mit anderen Unternehmen der Branche zusammenzuarbeiten und vor der Einführung von iOS 14 zu untersuchen, wie stark die Änderungen des Betriebssystems den Rest der Branche trifft.
Zudem solle Apple es Apps ermöglichen, den Text des angezeigten Fensters zu verändern. Sonst könnten sie nicht erklären, welchen Wert die Nachverfolgung habe, nämlich dass Dienste auf diese Weise Geld verdienten, die der Nutzer kostenlos verwende. Apple scheint kaum eine der Forderungen umgesetzt zu haben. Ein Gesprächstermin sei zwar in Aussicht gestellt worden, schreibt ein Sprecher des beteiligten Bundesverbandes Digitale Wirtschaft in einer E-Mail. „Noch ist aber kein Termin angesetzt, der zuständige Apple-Kollege ist offenbar noch im Urlaub.“
Der aktuelle Streit zeigt dabei eindrücklich, wie das Geschäft mit IDs mit immer härteren Bandagen geführt wird. Die Werbebranche arbeitet aktuell an der Ablösung der Cookies – die in Browsern eine ähnliche Funktion haben wie der IDFA in Apps und aktuell viele Nutzer nerven, weil auf vielen Websites Cookie-Banner das Surfen unterbrechen. Auch da hatten die Betreiber der Plattformen die geplanten Änderungen erzwungen: Die Browser von Mozilla und Apple haben Cookies von Dritten auf Webseiten schon gesperrt, Google zieht gerade nach.
August 28, 2020 at 12:15PM
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Verteilungskampf der Tech-Riesen - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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